An meine erste Yin Yoga Stunde, die ich erfahren durfte, kann ich mich immer noch wie heute erinnern. Die 90 Minuten vergingen wie im Flug und danach war ich so erholt wie kaum zuvor.
Gedämmtes Licht, Hilfsmittel, entspannende Musik: Yin Yoga ist anders, als die üblichen Yoga-Stile. Schließlich arbeitet Yin Yoga mit der Schwerkraft, welche sich passiv auf deinen Körper auswirkt.
Was ist Yin Yoga überhaupt?
Die Praktik des Yin Yoga beruht auf der taoistischen Philosophie, nach der jeder Mensch von zwei Kräften geleitet wird: Dem Yin und dem Yang. Dieses Verhältnis der beiden Kräfte sollte in jedem Körper harmonisch sein.
Eine Disharmonie dieser beiden Kräfte äußert sich in physischen und mentalen Krankheitsbildern, wie beispielsweise Burnout, Zähneknirschen, Stress, Verspannungen und Allergien. Ziel von Yin Yoga ist es, beide Energie miteinander zu harmonisieren.
Generell ist die Praktik des Yin Yoga eine passive und zugleich intensive Sequenz, da die Asanas lange gehalten werden.
Ganz im Gegensatz zu anderen Yoga-Stilen soll der Atem während der Übungen ganz ruhig fließen. Er soll lediglich beobachtet werden.
Traditionell und modern zugleich: Die Geschichte des Yin Yoga
Bereits in den alten yogischen Schriften, den Veden, wurden Posen erwähnt, die dem heutigen Yin Yoga nahekommen. Damals wurden die Posen jedoch nicht unter diesem Begriff zusammengefasst.
Die in den Vedas beschriebenen Posen sind überwiegend Haltungen, die lange gehalten und im Sitzen praktiziert werden. Diese können daher als der Anfang des Yin Yogas verstanden werden.
Erst in der Moderne haben jene Posen eine eigene Stilrichtung erfahren dürfen: Hier sind die Namen Paul Grilley und Paulie Zink wichtig zu nennen. Denn ohne diese beiden, gäbe es das Yin Yoga, so wie wir es heute kennen, vermutlich nicht.
Ende der Achtziger Jahre trafen beide Personen aufeinander: Paul besuchte damals eine Taoist Yoga Class von Paulie, in welcher Yogaposen lange gehalten wurden. Durch den Austausch dieser Klasse forschte Paul Grilley weiter: neben der menschlichen Anatomie beschäftigte sich dieser auch mit fernöstlicher Kinesiologie. Damit war das Konzept des Yin Yoga geboren.
Mit der Zeit wurde der Ansatz von Paul Grilley von Sarah Powers aufgegriffen. Diese brachte Ansätze der buddhistischen Psychologie, der inneren Organsysteme sowie Traditionelle Chinesische Medizin mit ein.
Die Vorteile von Yin Yoga
Generell gilt es, unser Yin wieder in die Balance zu bringen. Wir leben in einer Zeit, in der ein Überfluss an Yang Energie herrscht. Das äußert sich in Erscheinungen wie Depressionen, Angstzuständen und Schlafstörungen. Die ständige mobile Erreichbarkeit, überpräsente Medien und zunehmend weniger Raum für eigene Auszeiten erschöpfen unsere Yin Energie.
Das macht Yin Yoga so interessant: Das Yin wird wieder in Balance gebracht. Es wird sich auf seine innere Mitte bezogen, es fordert dazu auf, zur Ruhe zu kommen. Yin Yoga ist zudem ideal für alle Altersgruppen: Es ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene gleichermaßen geeignet.
Weiterhin beeinflusst die Praktik unserer Organe: Das lange Halten der Posen stimuliert die Muskeln wie auch die Organe maßgeblich. Eine regelmäßige Praktik kann als daher wohltuende Entspannung dienen, die Stress reduziert und uns in den Kontakt mit tiefliegenden Emotionen bringt.
Yin Yoga und Faszien
Faszien sind jene Bindegewebsstrukturen, welche Muskeln und unsere Knochen umspannen. Diese durchziehen unseren Körper wie ein Netz, verbinden verschiedene Bereiche unseres Körpers und helfen bei der Übertragung von Kraft und von Nervenreizen.
Faszien sind daher essentiell für unseren Körper, da diese auch bei biochemischen und immunologischen Prozessen beteiligt sind sowie auch weitere sensible Signale weiterleiten.
Generell ermöglichen die Faszien, dass alle Prozesse im Körper in ihrer Gesamtheit wirken können. Sie geben den nötigen Rahmen, dass unser Körper seinen Funktionen nachgehen kann.
Aufgrund dieser vielen Aufgaben erscheint es also mehr als logisch, jene Faszien zu stimulieren. Die langen Dehnungssequenzen des Yin Yoga erlauben es, eingelagerte Giftstoffe auszulagern und schließlich auszuscheiden.
Ideale Helfer für deine Yin Yoga Praktik
Scheue dich nicht davor, Hilfsmittel zu nutzen. Diese können deine Praktik ungemein erleichtern und obendrein auch bequemer machen. Hier eine kleine Auflistung der Hilfsmittel, die dich während der Übung unterstützen können:
- Eine bequeme Unterlage: Wähle eine bequeme Unterlage, die dich während deiner Yogapraktik begleitet. Wähle beispielsweise eine etwas breitere Yogamatte aus, die deinen unteren Rücken oder deine Beckenknochen ideal stützt.
- Yogarolle, Kissen oder Bolster: Alternativ hilft hier auch eine länglich zusammengefaltete Decke
- Augenkissen: Das Augenkissen gibt einen leichten Druck auf deine Augenlider.
- Eine schwere Decke: Für die Endentspannung ist es extrem entspannend eine etwas schwerere Decke auf das Becken zu legen.
- Tennis- oder Faszienbälle: Damit können punktuell Verhärtungen angegangen werden, beispielsweise im Nacken- oder Schulterbereich.
Meine 3 Lieblings-Yin-Yoga Übungen
Anbei meine liebsten Yin Yoga Übungen, die ich persönlich in das Cool-Down meiner Yogaklassen einbinde – einfach weil diese so unfassbar gut tun und meinen Yogis immer ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
Übung #1 Supta Matsyendrasana
Diese sanfte Drehung, welche im Liegen ausgeübt wird, massiert leicht die inneren Organe wie Leber und Nieren. Gleichzeitig werden Hüften, Rücken und Brust geöffnet.
Um die Pose einzunehmen, wird zunächst das linke Bein angewinkelt und dann das Knie über die rechte Seite abgelegt. Die Arme werden wie ein Vogel zu den Seiten ausgebreitet.
Die rechte Hand kann gerne das Knie berühren oder ausgebreitet bleiben. Der Kopf gleitet dabei leicht zur linken Seite. Die Haltung kann so lange wie es gut tut, gehalten werden. Danach werden die Seiten gewechselt. Das rechte Knie kommt zur linken Seite und der Kopf wird leicht zur rechten Seite gedreht.
Generell dienen Drehungen der Entgiftung des Körpers: Durch den Druck auf die inneren Organe werden diese von Toxinen befreit und neues, frisches Blut wird in diese hineingepumpt.
Für jene, die Ihren Körper entgiften wollen ist dies Haltung daher besonders wohltuend. Im Sommer ist diese Haltung zudem kühlend und kann bei einer Überhitzung des Körpers helfen.
Übung #2: Supta Baddha Konasana
Hier berühren im Liegen beide Fußsohlen einander, die Knie sind angewinkelt und zeigen nach außen. Über dem Kopf sind beide Arme angewinkelt, die Hände berühren die entgegengesetzten Ellenbogen oder sind ineinander gefaltet.
Auch diese Haltung kann so lange wie es gut tut, gehalten werden. Diese Haltung öffnet die Hüften und stärkt die inneren Oberschenkel.
Gleichzeitig werden der untere Rücken und der Bauch von eventuellen Druck befreit und entlastet. Das macht die Haltung besonders entspannend, gerade auch für Frauen, während ihrer Menstruation.
Übung #3: Viparita Karani
Hier hilft eine Wand zum Anlehnen wahre Wunder! Für diese Pose die Beine senkrecht nach oben an eine Wand bringen (für Fortgeschrittene auch frei in der Luft). Das Becken bleibt dabei auf dem Boden und ganz nah an der Wand.
Der Körper ruht auf dem Boden und ist entspannt. Aufpassen, dass die Schulter entspannt sind und weit weg von den Ohren. Die Hände zeigen nach oben und die Finger sind leicht gespreizt.
Diese Haltung kann gerne bis zu 20 Minuten gehalten werden und ist eine tolle Pose, um beispielsweise die Nacht willkommen zu heißen und sich auf den Schlaf vorzubereiten.
Diese Asana hilft, das Nervensystem zu beruhigen und entfernt sämtlichen Stress von Schultern und Nacken. Der Schulter-Nacken-Bereich wird im normalen Alltag besonders in Mitleidenschaft gezogen. Wir neigen dazu, besonders viel emotionalen Stress auf die Bereiche auszulagern.
Die Pose hilft auch eventuellen Druck von Knien und Füßen, insbesondere von den Fußfesseln, zu reduzieren.
Wie kannst du Yin Yoga in deinen Tag integrieren?
Beim Yoga gibt es viele Traditionen und Routinen, die es in den Alltag zu integrieren gilt. Das ist sogar für manchen Yogi (und auch für mich als Yogalehrerin) schwer. Und doch helfen die regelmäßigen Routinen beispielsweise, um mehr von deinem Tag zu haben.
Ich bin persönlich ein absoluter Fan von Routinen und finde beispielsweise einen koordinierten Ablauf vor dem Zubettgehen perfekt, um etwa den Tag ausklingen zu lassen. Generell sind die kühlen Morgen- oder Abendstunden perfekt für eine Yin Yoga Praktik.
Das Yin Element wird mit der Kühle beschrieben. Um die Faszien optimal zu dehnen, ist es sogar eine optimale Voraussetzung, wenn der Körper nicht erwärmt ist. Aber aufgepasst: Gib deinem Körper während der Praktik die nötige Zeit, um sich an die Haltung zu gewöhnen. Versuche dich in die Haltung hineingleiten zu lassen – und damit auch komplett loszulassen.
Die Praktik kann ebenfalls den Raum bieten, um den Tag zu reflektieren und gegebenenfalls Raum für seine Emotionen zu geben. Oftmals sind wir so hektisch und gestresst, dass wir unseren Emotionen kaum Beachtungen schenken.
Diese kommen dann wieder – vielleicht in viel unpassenderen Situationen und möchten dann aber trotzdem (oder erst recht) beachtet werden. Eine regelmäßige Yin Yoga Praktik öffnet die Möglichkeit, sich mit seinen eigenen tiefer liegenden Emotionen auseinanderzusetzen.
Bereite daher deinen Raum vor, zünde Kerzen, Räucherstäbchen oder weißen Salbei an, um diesen energetisch zu reinigen – und auch, um dich wohlzufühlen.
Versuche mit der Praktik in deine Intuition zu kommen, versuche deinen Körper zu spüren. Meist werden dann intuitiv die richtigen Posen kommen, die dein Körper genau in diesem Moment braucht.
Deine eigene Yin Yoga Praktik: Das solltest du beachten
Unterscheide bei deiner Praktik zwischen den verschiedenen Schmerztypen. Generell soll punktuell auftretender, stechender Schmerz vermieden werden. Der angenehme Dehnungsdruck ist jedoch genau das, was im Yin Yoga erreicht werden soll.
Versuche, während du die Pose hältst, in die Ruhe zu kommen, in dich zu kehren. Lasse dich ganz auf die Pose ein und vermeide weitere Bewegungen, während du dich fallen lässt. Halte die Position zwischen zwei bis fünf Minuten. Idealerweise baust du zwischen den verschiedenen Haltungen neutralisierende Rückenlagen ein, um den Energiefluss wieder auszubalancieren.